Rebellion. Gegen das Establishment der klassischen Musik und des Rock. Das war es, was Jean-Michel Jarre in den 1970ern motivierte, ein neues Musikgenre zu definieren, wie er Ende 2016 in einem Interview mit dem französischen Sender France24 erklärte. Damals war er auf Promo-Tournee für sein bislang letztes Opus, „Oxygène3“. Das erschien ziemlich genau 40 Jahre nach „Oxygène“, mit dem er seinen Durchbruch feierte und das heute als Pionierstück für die elektronische Musik gilt. Er soll es in ziemlicher Isolation in seiner Küche komponiert haben, in knapp sechs Wochen. So geht jedenfalls die Legende.
Prominent ab Anfang der 1970er
Fakt ist, dass Jean-Michel Jarre, der am heutigen Freitag 70 wird, damals bereits im Musikbusiness etabliert war. Er hatte bereits für Schlagzeilen gesorgt. Mit dem Ballett AOR („Licht“) war er gleichzeitig der jüngste Komponist, der ein Werk in der altehrwürdigen Pariser „Opéra“ aufführen durfte, aber auch der erste, der elektronische Musik in dieses Haus brachte.
Musikalische Experimente scheinen den jungen Mann von klein auf fasziniert zu haben. Seine Harmonie- und Kontrapunkt-Studien am Pariser Konservatorium hätten ihn inspiriert, die „Musik im Kern neu zu erfinden“, heißt es in der Biografie auf seiner Webseite.
Auf dieser Mission kam er unter anderem in Kontakt mit Pierre Schaeffer, ein gelernter Toningenieur, der die Grenzen der Musik aufsprengen wollte und deshalb mit Alltagsgeräuschen und Tonverfremdungen experimentierte. Auch Karlheinz Stockhausen lernte er kennen.
Der Vater, ein weltberühmter Komponist von Filmmusiken
„Die Leute dachten, wir seien eine Handvoll Verrückter, die mit Maschinen spielten“, erinnerte sich Jarre in besagtem Interview. Wer ihm das musikalische Talent in die Wiege gelegt hat, darüber rätselt er selbst wohl bis heute. Auf jeden Fall kommt er aus einer sehr musikalischen Familie. Sein Vater, Maurice Jarre (gestorben 2009), war ein international renommierter und gefeierter Komponist für Filmmusik. Er verschwand allerdings weitestgehend aus dem Leben seines Sohnes, der fünf Jahre alt war, als seine Eltern Maurice und France Pejot - die 2010 Verstorbene war im Zweiten Weltkrieg eine Heldin des Widerstands - sich scheiden ließen.
Die Begabung mit Technik könnte von seinem Großvater mütterlicherseits stammen, Marcel Teppaz, der in den 1950ern den ersten tragbaren Plattenspieler auf den Markt brachte und auch zu den Pionieren der Mischpulttechnik gehörte.
Der junge Jean-Michel Jarre hatte 1971 jedenfalls mit seinem Ballett und seiner neuen Musik für Aufmerksamkeit gesorgt und bekam fortan Aufträge. Zum Beispiel für die Musik zum Film „Les Granges Brûlées“ von Jean Chapot mit Alain Delon und Simone Signoret. Er komponierte, textete und produzierte für Stars wie Françoise Hardy, Gérard Lenorman und Christophe. Sein Weg führt ihn auch in die USA.
Der Mega-Spektakel-Mann
Vor allem zieht es den Komponisten nach draußen: 1978 veranstaltet er auf dem „Place de la Concorde“ in Paris ein erstes Open-Air-Konzert. Rund eine Million Zuschauer wird gezählt, ein Rekord. Von da an ist Jean-Michel Jarre der Inbegriff von Konzertspektakeln der Extraklasse. Seine Performances in Peking und Shanghai 1981 - Jarre war der erste westliche Musiker, der im Post-Mao-China auftreten durfte -, in Houston 1986, wo er mit 1,3 Millionen Zuschauern einen weiteren Rekord aufstellte, in Moskau 1997 - 3,5 Millionen Zuschauer, zur Jahreswende 1999/2000 bei den Pyramiden bei Kairo oder am Toten Meer im April 2017 bleiben in famoser Erinnerung.
Der gefragte Künstler, der immer wieder für Überraschungen sorgte - indem er beispielsweise 1997 beim Konzert in Moskau die Kosmonauten der Raumstation Mir live per Videolink dazu schaltete oder 2016 ein Techno-Stück gemeinsam mit dem „Whistleblower“ Edward Snowden herausbrachte - wurde mit Preisen überhäuft.
Ans Aufhören denkt Jarre, der im März in Buenos Aires seine „Electronica World Tour“ abschloss, offensichtlich noch lange nicht.
„Planet Jarre“: „Best of“ aus 50 Jahren
Streit um Erbe des Vaters
Diskografie (Auswahl)
1978 Equinoxe
1981 Magnetic Fields
1984 Zoolook
1986 Rendez-Vous
1988 Revolutions
1990 Waiting for Cousteau
1993 Chronologie
1997 Oxygène 7–13
2000 Métamorphoses
2015 Electronica 1: The Time Machine
2016 Electronica 2: The Heart of Noise
2016 Oxygène 3